Offener Brief an Kultusminister Piazolo und Kerstin Wollenschläger, Stabstelle Inklusion
Offener Brief An
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Staatsminister Michael Piazolo
und
Kerstin Wollenschläger, Stabstelle Inklusion
Salvatorstraße 2
80333 München
Feucht / München, 15. Februar 2023
Sehr geehrter Herr Staatsminister Piazolo,
sehr geehrte Frau Wollenschläger,
die Defizite bei der Inklusion in Bayern wurden schon oft und von vielen kritisiert. Wir schließen uns beispielsweise dem Forderungspapier der Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder zur inklusiven schulischen Bildung vom 9. Dezember 2022 an und stellen fest, dass wesentliche Fortschritte bislang nicht erkennbar sind im Gegenteil: immer mehr Kinder werden in Förderschulen unterrichtet, wie das Institut für Menschenrechte ebenfalls im Dezember 2022 insbesondere für Bayern feststellt.
In der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom Sonntag, den 12. Februar 2023 ist ein Artikel über die aktuelle Situation schulischer Inklusion insbesondere aus Sicht betroffener Eltern erschienen. Hier bestätigt sich unsere durchgängige Erfahrung, dass Inklusion nur mit tatkräftigen Eltern funktioniert, die kompensieren, was die Schule nicht leistet, und die Inklusion als Leistungssport betreiben. Kinder aus dysfunktionalen, armen, bildungsfernen und Zuwandererfamilien besuchen überproportional die Förderschule. Somit spiegelt sich bei der Inklusion, was Untersuchungen über Bildungschancen immer wieder bestätigen: sie sind höchst ungleich verteilt. Und Bayern wird weder der UN-Kinderrechtskonvention noch der UN-Behindertenrechtskonvention
vollumfänglich gerecht, wonach alle (!) Kinder einen gleichen Anspruch auf – damit inklusive – Bildung haben.
Vor diesem Hintergrund fragen wir uns:
- Wo bleibt eine Schulart, die strukturell inklusiv ist und Kinder ohne Ansehen ihrer Leistung aufnimmt und fördert?
- Wo bleiben die multiprofessionellen Teams? Wo bleiben Kräfte, die Eltern bei bürokratischen Anforderungen stützen?
- Wo bleibt die Hinwendung zu einer inklusiven Leistungsorientierung, die Kinder nicht entlang ihrer Schwächen aussortiert, sondern ihre Stärken aufspürt und fördert?
- Wie lange noch verschwendet der Freistaat Zeit und Energie mit zahllosen Versuchen, die Folgen der „leistungsorientierten“ Selektion der Schüler*innen für schwächere und benachteiligte Gruppen auf Umwegen in den Griff zu bekommen?
- Wie stehen Sie dazu, dass die jährlich 100 zusätzlichen Stellen für die Inklusion offenbar vollständig von der gleichzeitig vermehrten Ausweisung sonderpädagogischer Förderbedarfe aufgefressen werden?
Wir bitten um eine Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lindner und Dr. Gerald Klenk
Sprecher:innen des Bündnis Gemeinschaftsschule Bayern
info@buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de
Das Bündnis besteht aus diesen aktiven Mitgliedern:
Aktion Humane Schule e.V.
Eine Schule für Alle in Bayern e.V.
IGG – Interessengemeinschaft Gemeinschaftsschule Ast-Buch e. V.
Kunterbunte Inklusion e.V.
LAG Bayern – Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen e.V.
Lernwirkstatt Inklusion e.V.
21 mehr Farbe im Leben
Weitere Informationen zum Bündnis und zum Manifest findet man auf unserer Website: https://buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de/