Legasthenie ist keine Behinderung

    Wortwolke Legasthenie

    Offener Leserbrief an SZ und alle, die diese dpa-Meldung öffentlich gemacht haben:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    nun muss ich mich an Sie wenden, da es Behinderung und Schulbildung betrifft.

    Ich bin schockiert und derart enttäuscht, wenn ich wie in dem Artikel der „Süddeutschen“ vom 19.04.21 und im „Berliner Abendblatt“, 28.04.04.21, dpa-Meldung,

    von einer „Behinderung wie Legasthenie“ lesen muss, ich dachte diese Zeiten wären im 21. Jahrhundert vorbei, offensichtlich Fehlanzeige.

    Die Enttäuschung ist hier, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL e. V.) dies auch noch unterstreicht, siehe im folgenden Zitat:

    …Vollmer erklärt: „Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Menschen mit einer Behinderung wie Legasthenie ein Nachteilsausgleich zusteht. Es ist aber nicht definiert, wie dieser Ausgleich konkret auszusehen hat.“ Die Kammer entscheidet über den Nachteilsausgleich und das ist auch gut so: Denn jeder Mensch mit Legasthenie hat individuelle Probleme und Bedürfnisse. So kann es dem einen helfen, mehr Zeit zu bekommen, dem anderen aber bringt das überhaupt nichts. “ Man kann sich das in etwa so vorstellen wie eine Sehstörung. Damit die Menschen genauso gut sehen können wie andere, brauchen sie eine Brille. Aber natürlich hilft nicht jede Brille jedem Menschen“, sagt Höinghaus vom BVL e.V. … Zitat Ende.

    Der Vergleich mit der Brille hinkt enorm! Hier wäre doch der Ruf nach individuellen Unterstützungsmöglichkeiten in der Basisbildung der Kulturtechniken, also in der Grundschule, durch z. B. multiprofessionelle Teams dringend und zielführender für die Betroffenen.

    Es kann doch nicht sein, dass jemand mit LRS/Legasthenie sich unter dem Behindertenstatus einen Nachteilsausgleich erwirkt, der dann nicht im Zeugnis steht, aber die Person sich als Mensch mit Behinderung ausweist, das passt für mich nicht zusammen.

    Grundsätzlich bin ich auch dafür, dass diese „Stigmatisierung“ nicht in einem Zeugnis festgeschrieben ist, denn gerade LRS/Legasthenie-Betroffene müssen sich oft viel mehr anstrengen und viele Stunden mehr lernen und sich „durchbeißen“.

    Ebenso ist es schlicht weg falsch, wenn man den Eindruck erweckt, dass die Grundlage für einen Nachteilsausgleich ein Diagnostik-/Testungsverfahren beim Kinder- und Jugendpsychiater ist, hierzu haben wir den Schulpsychologischen Dienst der Schulämter! Auf jeden Fall in Bayern!

    Ein Testverfahren im medizinisch-diagnostischen Bereich ist bei Kindern und Jugendlichen angebracht, die von einer „seelischen Behinderung bedroht“ sind, hier ist das Diagnoseverfahren viel umfangreicher, siehe §35a SGB VIII. Hierbei handelt es sich aber um die Teilhabe und nicht „nur“ um LRS/Legasthenie, Dyskalkulie.

    Ehrlich gesagt, finde ich es in der jetzigen Situation, in der man von „Not-Abitur“ und „nicht zu vergleichenden Abschlüssen“ spricht geradezu fahrlässig junge Menschen mit LRS/Legasthenie die Empfehlung auszusprechen, sich in den Behindertenstatus einzugliedern.

    Hier habe ich etwas zu dem Artikel aus Österreich gefunden, Simone Marguerite, Kinder- und Entwicklungspschologische Beratung, Diplomierte Legasthenie-Dyskalkulie-Trainerin, Bregenz, Zitat:

    „Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Menschen mit einer Behinderung wie Legasthenie ein Nachteilsausgleich zusteht. Es ist aber nicht definiert, wie dieser Ausgleich konkret auszusehen hat.“…Ein kleiner Ausschnitt aus diesem Artikel. Es ist unfassbar, dass in unserem Nachbarland Legasthenie bereits als Behinderung definiert wird. Das macht mich einfach nur sprachlos. Ich kann nur für unsere Kinder hoffen, dass es hier nie so weit kommt. Ein wichtiger Punkt wäre endlich zu erkennen, dass sich der Ursprung der Schwierigkeiten beim Schreiben und Lesen, ebenso wie beim Rechnen, in der Entwicklung des Kindes findet…. Zitat Ende.

    Eine Kollegin schrieb mir nach Erscheinen dieser Artikel: Ja, die Schubladen. Man fragt sich schon, ob die Interessen der Betroffenen vertreten werden.

    Wie wir alle wissen, zählt man viele kreative, innovative und außergewöhnliche Menschen, wie Steve Jobs, John Britten, Wald Disney, Agatha Christie, Jackie Steward, einige der schwedischen Königsfamilie u.v.m. zu dem Personenkreis, die mit den modernen, grundlegenden Kulturtechniken, vorrangig Lesen und Schreiben, aber auch Rechnen, ihre Umsetzungsprobleme haben und dadurch als „Legasthene Menschen“ eingegliedert werden, echt krass, wenn die alle einen Behindertenstatus inne hätten.

    Gerade viele dieser Menschen mit „differenter Wahrnehmung“ haben weltbewegendes erwirkt und erschaffen.

    Für Menschen denen auf Grund irgendwelcher „Unwegsamkeiten“ in der Vergangenheit die Möglichkeit des Erlernens der „Kulturtechniken“ Lesen, Schreiben und Rechen erschwert ist und war ist das keineswegs hilfreich.

    Bitte lasst es nicht zu, dass diese uralten Schubläden der Stigmatisierung weiterhin bedient werden.

    Es ist nach wie vor ein Tabu-Thema und damit werden genau diese alten Schubläden immer wieder aufgemacht.

    In unserer Region, Landkreis Traunstein und Berchtesgadener Land, unterstütze ich u.a. Projekte der bundesweiten „Alpha Dekade“ ich kenne diese Thematik, umso mehr ruft dieser Artikel und die Haltung Entsetzen hervor.

    Mein Wunsch wäre sich mit der Thematik im Sinne der Betroffenen auseinanderzusetzen, denn auch Rechenstörung = Dyskalkulie (die ja dann auch eine Behinderung darstellen würde) gehört auf jeden Fall dazu, um in der Zukunft allen gleichen Möglichkeiten zu schaffen, dass es kein Stigma bedeutet legasthen oder dyskalkul zu sein.

    Mit freundlichen Grüßen

    Michaela Mayer

    P.S.: Ein sehr interessanter und informativer Filmbeitrag von P.M. Wissen für ServusTV, der in der Mediathek noch zu sehen ist. Die Protagonistin ist meine Tochter.

    Bild wortwolken.com

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