Das Märchen von der Inklusion in Bayern

    Eine Schule für Alle – das ist unsere Vision. Und deshalb fordern wir u.a. die notwendige personelle und finanzielle Ausstattung in unseren Schulen.

    Das Kultusministerium hat in den vergangenen Wochen gleich zweimal berichtet, wie gut wir in Bayern im Bereich Inklusion dastehen. Wir können das nicht nachvollziehen und haben deshalb eine Anfrage an Staatssekretärin Anna Stolz gestellt. Wir drucken hier die Anfrage (vom 12.12.2019), die Antwort der Staatssekretärin (vom 24.1.2020) und unsere Reaktion (vom 7.2.2020) hier ab:

    Unsere Reaktion vom 07.02.2020

    Sehr geehrter Herr Bruchhäuser,

    vielen Dank für die Übermittlung der Antworten/Erklärungen von Frau Ministerialrätin Tanja Götz, im Namen von Frau Staatssekretärin Anna Stolz.
    Die Fragen haben sehr dazu beigetragen, zu erklären, dass sich die Umsetzung der Inklusion leider auf keinem guten Weg befindet.
    Wie sonst kann es sein, dass seit mehr als 10 Jahren gerade einmal 5,6% der Grundschulen (141 von 2407) oder gar nur 3,2% (14 von 431) der Gymnasien das Schulprofil Inklusion tragen? Wieso gibt es dieses Profil eigentlich? Auch Bayern ist dazu verpflichtet die UN Behindertenkonvention umzusetzen und sicherzustellen, dass behinderte Kinder nicht aufgrund ihrer Behinderung vom Besuch einer Grundschule oder einer weiterführenden Schule ausgeschlossen werden. Es müssten also alle Schulen so ausgestattet sein, dass sie individuell auf jeden Schüler*in eingehen können. Und nicht nur eine Handvoll Schulen in ganz Bayern für ausgewählte Sonderfälle.

    Inklusion bedeutet Vielfalt als gesellschaftlichen Gewinn zu begreifen. Wieso trennen wir also Kinder voneinander? Sie sollten die ersten sein, die diesen Gewinn erfahren und als etwas ganz normales begreifen lernen.

    Es mag eine Herausforderung gewesen sein, die Umsetzung der UN Behindertenkonvention zu beginnen. Dennoch ist seit 10 Jahren viel zu wenig ermöglicht worden. Und wenn man dann noch liest, dass der Anteil der Schüler*innen in Bayern, die noch an Förderschulen lernen von 4,6% im Schuljahr 2008/09 auf 4,8% im Schuljahr 2016/17 stieg (Bericht Bertelsmann Stiftung), dann muss man verwundert sein, wenn Frau Staatssekretärin Stolz so positiv über die Umsetzung der Inklusion in Bayern berichtet.

    Aufgrund des Anstiegs müsste man eigentlich von Exklusion in Bayern sprechen. Dies wird von der jüngsten Pressemitteilung des Kultusministeriums vom 4.2.2020 bestätigt. Dort heisst es: ‚Förderschulen bleiben dabei als Lernorte und Kompetenzzentren zur Unterstützung der allgemeinen Schulen erhalten.‘

    Als Bürgerin wünscht man sich, dass die gewählten Vertreter*innen & Repräsentant*innen sich an unterschriebene Verträge ehrlich halten.
    In Punkto Inklusion hält sich Bayern jedoch nicht daran und wir Bürger*innen werden mit solchen Pressemitteilungen eigentlich fehl informiert.

    Gestatten Sie mir noch eine Rückfrage, Sie hatten es freundlicherweise angeboten: Gibt es in Bayern Kinder/Schüler*innen mit Downsysndrom, die einen Hauptschulabschluss, Quali, Mittlere Reife oder gar das Abitur abgelegt haben?

    Mit freundlichen Grüßen
    Christine Lindner
    Eine Schule für Alle in Bayern e.V.

    Die Antwort vom 24.01.2020

    Antwortschreiben

    Unsere Anfrage vom 12.12.2020

    Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Stolz,

    mit Interesse haben wir Ihre Pressemitteilung vom 9.12.2019 gelesen.

    Inklusion ist aus unserer Sicht ein sehr wichtiges Ziel für unsere Gesellschaft und das gemeinsame Miteinander. Bisher hatten wir den Eindruck, dass es in Bayern noch recht schleppend bei der Umsetzung von (echter) Inklusion vorangeht. Wir hören und lesen immer wieder wie schwierig es für Eltern und Familien ist, eine Unterstützung vor Ort zu erhalten bzw. fehlt das Angebot bzw. Wissen in den Schulen komplett.

    Sie schreiben sehr positiv über die Entwicklung der Inklusion in Bayern, dass wir uns etwas genauer über den Status bei Ihnen erkundigen möchten.

    Folgende Fragen zu Ihrer Presseerklärung haben sich ergeben:

    • Was genau bzw. ab wann erhält eine Schule das Profil Inklusion ? Was muss dafür ganz genau erfüllt sein?
    • Gibt es eine Aufstellung / Liste der 377 Schulen, die dieses Profil nun haben, welches öffentlich einzusehen ist bzw. können Sie uns diese Liste zur Verfügung stellen?
    • Wie viele Schulen mit Kooperationsklassen gibt es in Bayern?
    • Zu Ihrer Meldung „Zur Unterstützung der Inklusion stellt der Freistaat seit 2011 jedes Jahr zusätzliche 100 Lehrerstellen zur Verfügung. Im Schuljahr 2019/2020 sind es bereits 900 Stellen.“
      Frage: Die genannten 900 Stellen sind also in den letzten 9 Jahren kumuliert entstanden. Stehen diese 900 Lehrer*innen ausschließlich für die Umsetzung der Inklusion an Regelschulen, also nicht an Förderschulen zur Verfügung? Oder wo genau werden diese zusätzlichen Lehrkräfte eingesetzt? Welche Voraussetzungen erfüllen diese Lehrkräfte in Sachen Inklusion?
    • Zu Ihrer Meldung „Außerdem nimmt Bayern gezielt Investitionen in die Lehrerbildung vor: So werden die Kapazitäten der bayerischen Universitäten zur Ausbildung von Lehrkräften für Sonderpädagogik deutlich ausgebaut. Ein Basiswissen Inklusion ist für alle Lehramtsstudierenden verpflichtender Studieninhalt.“
      Frage: Können Sie da bitte etwas genauer Auskunft geben, welche Lehramtsstudierenden dieses Basiswissen Inklusion (verpflichtend) belegen müssen. Wirklich alle? Oder nur spezielle Gruppen? Also zb. die Lehramtsstudierenden für die Grundschul oder Mittelschule? Oder auch die Gymnasiallehrer*innen? Wie umfänglich ist dieses Basiswissen genau? Gibt es das schon oder ist das in Planung?
    • Wie oft muss/soll ein/e Lehrer*in eine Fortbildung im Bereich Inklusion ablegen?
    • Was genau verbirgt sich hinter dem Flexklassen-Konzept? Oder meinen Sie da die Möglichkeit, dass an manchen Grundschulen die Klassen 1-2 in drei Jahren durchlaufen werden können?

    Ich bedanke mich bei Ihnen an der Stelle für Ihre Rückmeldung und weiteren Information zu diesen Themen.

    Herzliche Grüße

    Christine Lindner
    Eine Schule für Alle in Bayern e.V.

    Christine Lindner ist 2. Vorstand von Eine Schule für Alle in Bayern e.V.

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