Mit dem Start des zweiten Schulhalbjahres beginnt für viele Schüler*innen erneut der Druck in einem veralteten Bildungssystem, das nicht den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht. Die Demonstration am 6. April 2025 für die Abschaffung unangekündigter Leistungsnachweise ist nur der erste Schritt hin zu einer dringend nötigen grundlegenden Veränderung in der Bildungspolitik. Nicht umsonst heißt das Motto der Schüler*innenbewegung: „BAYERN LEGT LOS!“
München, 4. März 2025
Große Demonstration in München: „Schluss mit Abfragen und Exen!“
Die 17-jährige Amelie N. aus München startete die Petition „Schluss mit Abfragen und Exen!“, die mittlerweile fast 49.000 Unterstützer*innen zählt. Immer mehr Schüler*innen schließen sich der Bewegung an und setzen sich gegen unangekündigte Tests, sogenannte Extemporalien („Exen“), und mündliche Abfragen an bayerischen Schulen ein.
Höhepunkt wird die große Demonstration am 6. April um 14 Uhr am Wittelsbacher Platz in München. Erwartet werden zahlreiche Schüler*innen, Eltern, Lehrkräfte und Unterstützer*innen. Zwei Tage später, am 8. April, wird die Petition im Landtag an die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Dr. Ute Eiling-Hütig, übergeben. Die Presse ist herzlich eingeladen, die Demonstration und Übergabe zu begleiten.
Politische Reaktionen und öffentliche Debatte
Während Kultusministerin Anna Stolz Dialogbereitschaft signalisierte, versuchte Ministerpräsident Markus Söder dem demokratischen Petitions-Prozess mit einem Machtwort vorzugreifen: Exen müssen bleiben, so Söder auf dem CSU-Fraktionsklausur am 18. September 2024. Es folgte einen breite gesellschaftliche Debatte, zahlreiche Verbände kritisierten Söders Umgang mit der Petition scharf. (https://kurzlinks.de/keineex-pressemitteilung-2)
„Markus Söders Machtwort sendete ein fatales Signal an uns Schüler*innen. Aber auch wenn er unsere demokratischen Bemühungen beenden wollte – das Gegenteil ist passiert: Wir sind entschlossener denn je! Schüler*innen müssen endlich mitbestimmen. Es ist nicht vorbei – es fängt jetzt erst richtig an!“, so Amelie N.
Leistungsdruck belastet Schüler*innen
Amelie N. erinnert sich: „Jahrelang hatte ich ständig Panik, unangekündigt abgefragt zu werden oder eine Ex zu schreiben. Ich habe gemerkt, dass es vielen anderen genauso geht. Es ist keine Seltenheit, dass Mitschüler*innen bei Abfragen geweint haben oder gar nicht mehr zur Schule gehen wollten. Das darf nicht sein – Schule sollte zum Lernen motivieren, nicht demotivieren!“
Auch Ayush Yadav, Stellvertretender Landesschülersprecher der Gymnasien in Bayern und im Vorstand der StadtschülerInnenvertretung München betont: “Schülerinnen und Schüler sind mit den unangekündigten Leistungsnachweisen einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt. Diese erhöhen den schulischen Druck, statt das Lernen nachhaltig zu fördern. Daher ist es dem Landesschülerrat ein wichtiges Anliegen, unangekündigte Leistungsnachweise vollständig abzuschaffen. Wir freuen uns über das Engagement der Organisatoren der Demonstration und unterstützen diese dabei.”
Breite Unterstützung von Bildungsexpert*innen und Organisationen
Bereits über 20 Bildungsexpert*innen unterstützen die Forderung nach einer positiven Lernkultur und der Abschaffung unangekündigter Leistungsnachweise, darunter Univ.-Prof. Dr. phil. Habil. Silvia-Iris Beutel, Marina Weisband, Stefan Ruppaner, Prof. Dr. Harald Lesch, Reinhard Kahl. Zudem stellen sich neben dem Landesschülerrat in Bayern und der StadtschülerInnenvertretung München zahlreiche Organisationen hinter die Bewegung, darunter das Forum Bildungspolitik in Bayern e. V. (Zusammenschluss von knapp 50 Organisationen unter dem Vorsitz von Simone Fleischmann), der größte Lehrerverband in Bayern, der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), die GEW Bayern und der Bayerische Elternverband (BEV).
Eine unter Leitung von Prof. em. Dr. Ludwig Haag (Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Thomas Götz (Universität Wien) durchgeführte Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Unangekündigte Leistungskontrollen stärken die Ängstlichkeit von Schülerinnen und Schülern, verringern ihre Freude am Lernen und schwächen dadurch ihre Leistungsfähigkeit.
Prof. em. Dr. Ludwig Haag: „Angst entsteht besonders dann, wenn eine Situation als unkontrolliert erscheint. Und dies ist genau in unangekündigten Abfragen der Fall. Die Schülerinnen und Schüler werden im Unklaren gelassen, wann eine Abfrage erfolgt. Sie interpretieren ein solche Situation als unkontrollierbar. Angst schleicht sich ein. Und der Spruch ‚Ein wenig Angst schadet nicht‘ ist weit verbreitet, aber schlichtweg falsch.“
Margret Rasfeld, Autorin, ehemalige Schulleiterin und Mitbegründerin der Initiative Schule im Aufbruch, macht deutlich: “Ein Beispiel für eine zukunftsfähige Lernkultur ist die Evangelische Schule Berlin Zentrum. Abfragen und Exen wären hier kontraproduktiv, denn die Lernkultur fußt auf Potenzialblick statt Defizitblick, Vertrauen statt Kontrolle, das Beste im Team geben, statt sich im Konkurrenzgeist als Bester zu beweisen. Noten gibt es erst ab Klasse 9. Die wissenschaftliche Evaluation hat ergeben, dass so nicht nur die Entwicklung starker Persönlichkeiten gefördert wird, sondern auch der Lernzuwachs in den Kernfächern deutlich besser ist als in der Kontrollgruppe.”