Zum Thema Noten haben auch Kinder viel zu sagen
Ich bin Alexandra Lux, Montessori-Pädagogin und LernCoach aus Leidenschaft. Seit einigen Jahren bin ich als Honorarkraft in einer Regel-Grundschule im Ganztag. Dieses Jahr habe ich neben einer 2. wieder eine 4. Klasse. Es ist Januar. Die Hälfte der Klasse kommt für eine Doppelstunde in den Raum, der mir für das Projekt zur Verfügung steht. Ich halte Angebote bereit und gehe auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder ein. Im obligatorischen Begrüßungskreis erzählen die Mädchen (auf Wunsch der Kinder ist die Klasse in Jungs und Mädchen geteilt) immer wieder von den vielen Proben, die anfallen für den Übertritt. Manche leiden sichtlich unter dem Druck und sehen ihre Noten und den Wunsch der weiterführenden Schule. Andere, die sich keine Sorgen machen müssen, leiden mit ihren Freundinnen mit.
Ich formuliere, dass es mich betrübt, dass sie das Thema Noten so sehr beschäftigt und ihnen auch die Freude an der Schule und am Lernen nimmt.
Wenn man etwas nicht mag, kann man das sagen!
Spontan kommt die Idee auf, einen formellen Brief an die Schulleitung zu schreiben, dass sie keine Noten mehr wollen. Darauf hin überlegen sie, wie das gehen soll…. keine Proben mehr schreiben? Nein, sie wollen wohl zeigen, was sie können, aber ohne Noten. Die Motivation, ihre Erlebnisse und Gedanken weiter zu geben ist hoch. Ich erkläre, dass die Schulleitung das nicht ändern könne, aber die Idee großartig ist. Ich werde beauftragt, die Briefe an den Bildungsausschuss zu senden, von dem ich erzählte. In Wahrung der Anonymität der Mädchen mache ich das und bitte in einem Begleitschreiben um eine wertschätzende Antwort.
Diese lässt auf sich warten. Dafür werden die Briefe dann Ende April als Petition im Bildungsausschuss behandelt. Die Mitglieder sind sichtlich berührt und laden die Mädchen in den Landtag ein.
Ende Mai ist es soweit. Anna Toman, Peter Tomaschko und Tanja Schorer-Dremel erwarten die Kinder im großen Konferenzsaal. Nach dem Ausprobieren der Mikrofone stellen die Mädchen ihre Fragen. Sehr souverän und ohne Scheu fragen sie, was sie bewegt. Offen und sehr ehrlich, sowie kindgerecht antworten die drei PolitikerInnen. Neugierig auf die Hintergründe entstehen mit uns Erwachsenen auf dem Weg zum Plenarsaal und zurück spannende Gespräche über das aktuelle Schulgeschehen und die Aussagekraft von Noten.
Ich habe auf meiner Homepage (www.alexandra-lux.de) zwei ausführliche Berichte dazu veröffentlicht. Wer die Details lesen möchte kann das gerne hier tun.
Ein langer Weg
Ich bleibe dran, habe das Angebot von Herrn Tomaschko, sich separat zum Thema Alternativen zum Notensystem zu treffen sehr gerne aufgenommen und werde mich mit ihm noch im Juli treffen. Ich werde weiterhin dran bleiben. Dazu liegt mir das Thema zu sehr am Herzen. Außerdem bin ich es den Mädchen (und allen anderen Schulbetroffenen) schuldig, diesen Faden zu halten.
Es wird sich nicht von heute auf morgen ändern, auch wenn ich mir das zu sehr wünschte. Dazu gehört ein Paradigmenwechsel, der in der Gesellschaft stattfinden muss. Ich bin damit nicht alleine, genügend Initiativen arbeiten daran, Prominente wie der Neurologe Prof. Dr. Gerald Hüther, der Philosoph Richard David Precht, und auch der schweizer Kinderarzt Remo Largo haben dazu viel zu sagen. Doch das Gros der Gesellschaft erwartet Noten, weil sie es so kennen. Sie sind damit aufgewachsen und können sich nicht vorstellen, dass ohne Notendruck freiwillig (!) gelernt würde oder man wissen könne, wo man steht!
Es gibt wunderbare Alternativen dazu, die Kindern und Jugendlichen viel mehr in ihrer individuellen Entwicklung gerecht werden. Unsere Aufgabe wird es sein, die Menschen dazu einzuladen, Alternativen kennen zu lernen und zu erleben, dass es auch anders gehen kann. Möglichkeiten, die viel aussagekräftiger sind und die Erkenntnis, dass die Dinge, die wir in Zukunft brauchen, gar nicht in Noten messbar sind. – Es bleibt spannend.
Eine Möglichkeit ist der Film, den „eine Schule für Alle“ ja bereits zeigte: AUGENHÖHEmachtSchule.
Gemeinsam bewegen wir!
Jede/r kann etwas dazu beitragen, dass sich etwas ändert. Zum einen mit Menschen in Kontakt treten, die hier schon aktiv sind. – Eine Gemeinschaft ist immer stärker! Mit diskutieren – live oder virtuell auf facebook z.B.. Mit Menschen ins Gespräch kommen und sie inspirieren, das Thema einmal von einer anderen Seite zu beleuchten. Ich denke, Druck ausüben, auch politischen Druck ist nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen vom (Noten)Druck weg und üben anderen aus?